H2ORIZON – ein Meilenstein in der Energiewende

Sektorenkopplung und damit die sinnvolle Nutzung von Synergien spielt in der Energiewende eine große Rolle. Gleichzeitig wächst die Bedeutung von Wasserstoff als Energieträger mit großem Speicherpotenzial. Das Forschungsprojekt H2ORIZON vereint beides: es koppelt Sektoren mit grünem Wasserstoff. Und dies, dank einer einmaligen Konstellation an Kompetenz und räumlicher Nähe.

Herausforderungen

Herausforderungen der Energiewende

Ziel des Ministeriums für Umwelt, Klima und Energiewirtschaft in der Landesregierung Baden-Württemberg ist eine Treibhausgasminderung von mindestens 42 Prozent bis zum Jahr 2030. Das beinhaltet eine Steigerung des Anteils erneuerbarer Energien auf über 50%.

Dies setzt neben dem reinen Netzausbau für eine dezentrale Einspeisung vor allem eine schnelle Weiterentwicklung umweltfreundlicher Technologien und Verfahren voraus: zur Energieerzeugung, intelligenten und steuerbaren Energienutzung und effizienten Stromspeicherung. Schließlich passen sich Sonne und Wind nicht unserem Strombedarf an.

Synergieeffekte nutzen

Doch das alleine reicht nicht aus. Neben der Energiewende spielen auch Verkehrswende und Wärmewende eine große Rolle. Anstatt Elektrizität, Wärme, Mobilität und Kommunikation getrennt zu betrachten, müssen diese Disziplinen intelligent vernetzt und Synergieeffekte geschaffen werden. Die Zukunft heißt damit: Sektorenkopplung.

Das Projekt H2ORIZON zeigt eindrucksvoll wie Sektoren­kopplung in der Praxis aussehen kann.

Wasserstoff

Energieträger mit großem Speicherpotenzial

Auf der Suche nach physikalischen und technischen Möglichkeiten zur Dekarbonisierung der verschiedenen Wirtschaftssektoren stößt man unweigerlich auf Wasserstoff. Wasserstoff entsteht durch die elektrolytische Aufspaltung von Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff. Wird für die Elektrolyse ausschließlich regenerativ gewonnene Energie eingesetzt, spricht man von grünem Wasserstoff: ein praktisch CO2-freier und emissionsfreier Energieträger.

Wasserstoff besitzt noch einen weiteren Vorteil. Er kann in großem Maßstab gespeichert werden – und das über mehrere Wochen oder Monate. Vor dem Hintergrund des Umbaus der Energieerzeugung hin zu erneuerbaren Energien ist das ein nicht zu unterschätzender Vorteil. Wasserstoff ist sozusagen der physikalische Partner der erneuerbaren Energien.

Sauber und effizient in der Anwendung

Darüber hinaus hat Wasserstoff auch großes Potenzial bei der Anwendung. So kann Wasserstoff schadstofffrei in einer Brennstoffzelle umgesetzt werden. Als Abfallprodukt entsteht lediglich Wasserdampf. Der Wirkungsgrad eines Brennstoffzellensystems liegt schon heute bei bis zu 60%.

Wasserstoffmärkte mit unterschiedlichem Potenzial

Druckloser Wasserstoff ist ein Element, das wenig Anwendung findet – da es so schlicht kaum zu speichern bzw. transportieren ist. Insofern lässt sich der Markt hinsichtlich der Anwendungen in drei große Wasserstoffmärkte einteilen: der 700 bar Markt, der 300 bar Markt sowie der Niederdruck (< 20 bar) Markt.

Der 700 bar Markt

Verdichtet man Wasserstoff auf 700 bar, lässt sich auf geringerem Raum eine höhere Energiedichte speichern. Das ist ein klarer Vorteil.

Der Nachteil: Es muss mehr Energie aufgewendet werden, um Wasserstoff auf diese Druckstufe zu verdichten. Und damit steigen auch die Anforderungen an die Infrastruktur (Verdichter, Leitungen, Tanks, Abfüll­vorrichtungen, Sicherheit).

Wasserstoff mit 700 bar wird sich in jenen Anwendungen durchsetzen, in denen der Raum eine große Rolle spielt. Bei PKWs beispielsweise ist grundsätzlich wenig Raum und ein kompakter Tank von großem Vorteil. Über diesen Markt wird zwar viel geredet – wir halten hingegen den 350 bar Markt für attraktiver.

Der 350 bar Markt

Eine Verdichtung auf 350 bar erfordert deutlich weniger Energieeinsatz als die Verdichtung auf 700 bar. Hinzu kommt eine wesentlich kostengünstigere Infrastruktur. Sowohl für die Kompressoren, die Tanks für die Zwischenlagerung als auch die Tanks in den Anwendungen. Und auch die Anforderungen an die Sicherheitstechnik sind deutlich moderater. Eine 700 bar Wasserstofftankstelle kostet derzeit mehr als 1 Mio. Euro. Eine 350 bar Tankstelle ist wesentlich günstiger. Dasselbe gilt für die Betriebskosten.

Die Tanks werden größer. Bei vielen Anwendungen spielt dies jedoch keine Rolle. LKWs, Schiffe, Züge, Busse, kommunale Fahrzeuge – all diese Fahrzeuge sind groß, schwer oder bewegen große Lasten. Hinzu kommt, dass häufig weite Distanzen zurückgelegt werden.

Aus unserer Sicht steht daher die Erschließung des 350 bar Marktes in den nächsten 10 Jahre im Fokus. Zudem sind die Anforderungen an die Flächeninfrastruktur deutlich geringer. Bereits wenige 100 Tankstellen bundesweit würden ausreichen, um ganze Fahrzeugflotten oder den regionalen Nahverkehr dezentral zu versorgen.

Die Erschließung des 350 bar Marktes steht in den nächsten 10 Jahren im Fokus.

Der Niederdruck Markt

Der Niederdruck-Markt (< 20 bar) betrifft beispielsweise Wärmeanwendungen. Hier kommen zukünftig Brennstoffzellen oder Blockheizkraftwerke zur Anwendung. Die benötigten Wasserstoffmengen können in einer Übergangszeit dem Erdgas beigemischt werden. Langfristig kann diese Gasverteilnetzinfrastruktur auch als reines Wasserstoffnetz betrieben werden – beispielsweise bei 10 bar und tiefer. Brenngeräte benötigen einen deutlich tieferen Druck (im Millibar-Bereich).

Der Markt für synthetische Kraftstoffe

Für verschiedene Anwendungen werden Umstellungen auf klimaneutralen Betrieb technisch sehr anspruchsvoll bis gar unmöglich. Beispielsweise erscheinen Flugzeuge mit Batterie- oder Brennstoffzellen derzeit eher unwahrscheinlich. Das Gewicht der Batterien, Brennstoffzellen und Treibstofftanks wäre schlicht zu hoch.

Dennoch kann ein klimaneutraler Betrieb ermöglicht werden – durch synthetische Kraftstoffe. Und hier kommt wieder Wasserstoff ins Spiel.

Wasserstoff ist ein Grundbaustein für die Herstellung von synthetischen Kraftstoffen. Wird dieser mit Kohlenstoffdioxid, also CO2, zur Reaktion gebracht, kann aus Wasserstoff synthetisches Erdgas oder flüssige Kraftstoffe hergestellt werden wie beispielsweise Diesel, Benzin oder Kerosin (Power-to-Liquid).

Diese synthetischen Kraftstoffe können in Autos, LKWs, Containerschiffen oder Flugzeugen direkt eingesetzt werden. Bei der Verbrennung wird das CO2 freigesetzt, das zuvor im Prozess gebunden wurde. Synthetische Kraftstoffe, die mit grünem Wasserstoff erzeugt wurden, gelten damit als klimaneutral.

Weitere Vorteile: Bei der Verbrennung werden deutlich weniger Schadstoffe, wie beispielsweise Stickoxide, freigesetzt. Die bestehende Infrastruktur kann genutzt werden. Und: Man kann eine hohe Wertschöpfungstiefe in Europa generieren.

Auch wenn dem gegenüber derzeit noch ein niedriger Wirkungsgrad steht und ein verhältnismäßig hoher Preis - für Klimaneutralität sind synthetische Kraftstoffe eine Option mit hohem Marktpotenzial. Auch kurzfristig.

Entstehung H2ORIZON

Zwei starke Partner

Der Windpark Harthäuser Wald liegt in direkter Nähe zum DLR Standort Lampoldshausen. Bereits 2012 wurde die Idee für das Projekt H2ORIZON geboren – mit der ZEAG Energie AG als Pionier für die Erzeugung Erneuerbarer Energien und dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) als größtem Wasserstoff­verbraucher Europas.

Diese einmalige Konstellation an Kompetenz und räumlicher Nähe ermöglicht es uns, einen Meilenstein in der Energiewende zu setzen: die Kopplung der Sektoren Energie, Wärme, Mobilität und sogar Raumfahrt - mit grünem Wasserstoff.

Klare Zielsetzung

Ein Ziel des Projektes ist es, Wissen zu erarbeiten, wie grüner Wasserstoff – ein klimafreundlicher und hoch effizienter Speicher für Strom aus erneuerbarer Energie – ökonomisch und mit geringen Wirkungsgradverlusten erzeugt werden kann. Und wie sich erneuerbare, teilweise volatile Erzeugungsarten mit industriellen Verbrauchern verknüpfen lassen.

Konsequente Umsetzung

Im Projekt H2ORIZON erzeugen wir mit hoch innovativen Technologien grünen Wasserstoff aus Windstrom, speichern ihn und stellen ihn für verschiedene Anwendungsbereiche zur Verfügung: für Mobilitätsprojekte in Baden-Württemberg, für die Nutzung in Raketenprüfständen des DLR wie auch für die Versorgung von Blockheizkraftwerken zur Wärmeerzeugung.

Jährlich können so bis zu 100 Tonnen grünen Wasserstoffs erzeugt und bereitgestellt werden. Hierfür nutzen wir eine PEM-Elektrolyse, die besonders geeignet ist, um auf die fluktuierende Stromeinspeisung eines Windparks zu reagieren.

Meilensteine Projekt

2020
  • Aufnahme des Regelbetriebs
  • Abnahme des Gesamtsystems
2019
  • Erste Wasserstoffproduktion
  • TÜV-Abnahme sowie Freigabe zum Start der Inbetriebnahme der Elektrolyse
  • Inbetriebnahme BHKW

H2ORIZON in a nutshell

Die Wasserstofferzeugung findet auf dem Gelände des DLR in Lampoldshausen statt. Die Stromversorgung der Elektrolyse wird als Direktverbindung mit dem Windpark Harthäuser Wald, einer der größten Windparks Baden-Württembergs, realisiert. Es wird mit einer Wasserstoff­produktion von bis zu 100 Tonnen jährlich gerechnet. Ein Teil der Produktion wird direkt am Standort eingesetzt. Hier werden unter anderem die Raketentriebwerke der Ariane Trägerraketen getestet. Der Rest steht für regionale Mobilitäts­anwendungen zur Verfügung.